Heute bekam ich die Diagnose – Ich habe Brustkrebs. Doch von Anfang an.
Ich bin Doreen, 35 Jahre alt und habe eine wunderbare kleine Familie. Mein kleiner Sohn Noah und mein Verlobter André – ja, wir wollen am 30. Juli 2018 in Ahrenshoop am Strand zu dritt heiraten – unsere Familien wissen nichts davon. Im September erwarten wir unser 2. Kind, ebenso wieder ein Junge und anhand der Bewegungen im Bauch genauso aktiv wie unser erster kleiner Wirbelwind. Noah ist inzwischen 21 Monate alt und wird am 1. Oktober 2 Jahre alt.
Am 10. Juli habe ich beim Duschen im oberen Bereich meiner rechten Brust einen Knubbel entdeckt. Ich muss dazu sagen, dass ich Noah zum Einschlafen immer noch kurz stille und so immer mal schaue, ob noch Milch kommt oder vielleicht schon wieder. Ich glaube eine Zeit lang kam gar nichts, seit ein paar Wochen habe ich das Gefühl, zumindest Noah kann etwas Milch ergattern, auch wenn es mir nicht gelingt, etwas auszustreichen. Ich habe ihn gern gestillt und am Anfang habe ich mit meinem kleinen Piranha sehr darum gekämpft, denn er war ganz und gar nicht der kleine Spatz, der den Mund ganz weit aufmacht und genüsslich an der Brust saugt. Nein, zu Anfang hatte ich wunde blutige Brustwarzen und wir haben wochenlang darum gerungen. Heute genieße ich die Stilleinheiten sehr. Mir war es immer sehr wichtig, dass Noah keine Flasche bekommt, ich konnte mich mit Fertignahrung nie wirklich anfreunden. Noah hat niemals eine Flasche bekommen und er wollte auch kein Nuckel und irgendwann habe ich begriffen, dass er einfach nur Mamas Nähe brauchte und die bekam er und bekommt er auch heute noch.
Dem Knubbel selbst maß ich nicht so viel Beachtung bei. Gab es in meiner Familie ja bisher nicht einen Fall von Krebs. Ich dachte, ok vielleicht etwas durch das Stillen oder so. Ich hatte sowieso bald meine nächste Schwangerschaftsvorsorge und wollte meinen Frauenarzt bei dieser Gelegenheit darauf ansprechen.
Wie der Zufall so wollte, bot sich die Gelegenheit eher. Ich hatte Durchfall und mir ging es nicht so gut, so dass ich zum Arzt bin, um das abzuklären und den Tag lieber zuhause zu bleiben. Mein Arzt hatte Urlaub, aber da dies eine Gemeinschaftspraxis ist, war die Vertretungsärztin da. Meinen Durchfall belächelte sie, doch als ich ihr von dem Knubbel erzählte, wurde sie plötzlich hellhörig und schaute sich das per Ultraschall genauer an. Sie konnte es noch nicht so recht beurteilen, wollte abwarten bis mein Frauenarzt aus dem Urlaub zurück ist, dass er sich der Sache annimmt. Am Abend rief sie mich an, wir sollten am nächsten Morgen sicherheitshalber eine Biopsie machen, damit wir Gewissheit haben. Meiner Frage, was wäre, wenn es bösartig ist, wich sie gekonnt aus, erzählte mir von gutartigen Fibroadenomen etc.
Am nächsten Morgen dann die Biopsie, recht unspektakulär, gibt es eine Betäubung in die Brust und mit einer Hochgeschwindigkeitsstanze hat sie mehrere Proben aus dem Gewebe entnommen. Diese zeigte sie mir anschließend noch, auch zur Kontrolle, dass der Becher korrekt mit meinem Namen beschriftet war. Das Ergebnis wäre am Montag da und wir vereinbarten einen Termin am Nachmittag, es war der eigentlich vorletzte Tag vor meinem Urlaub und dem anschließend beginnenden Mutterschutz. Irgendwie machte ich mir nicht so viele Gedanken, hatte aber trotzdem den ganzen Tag das Gefühl, als wäre es irgendwie der letzte Tag auf Arbeit und ich nahm aus meinem Schreibtisch schon mal die für mich wichtigsten Dinge mit, wenngleich auch nicht alle.
Als ich in die Praxis kam, mußte ich gar nicht lange warten und wurde gleich ins Sprechzimmer gebeten. Meine Vertretungsärztin schloss alle Türen und sagte ohne Umschweife, sie hätte keine guten Nachrichten für mich. Der Tumor ist bösartig, wächst sehr schnell und ist ca. 2cm groß, sie fragte, ob ich meinen Freund anrufen könne, dass er mit dazu kommt. Er hat an diesem Tag Noah ausnahmsweise aus dem Kindergarten geholt und war soeben unterwegs nach Hause. Er kam dann mit meinem Kleinen sofort in die Praxis, Noah sollte erst einmal draußen warten, damit er mich nicht weinen sieht und wir besprachen alles weitere mit der Ärztin.
Damit hatte keiner von uns wirklich gerechnet, obwohl ich auch auf der Autofahrt von der Arbeit nach Plauen in die Praxis schon seltsame Gedanken hatte….
Ich habe geweint, es zog mir den Boden unter den Füßen weg. Bisher war unser Weg für die nächsten 1 1/2 Jahre klar und nun sollte alles anders werden.
Sie war sehr zuversichtlich und meinte „Sie schaffen das, mit Ihrer Familie haben Sie die allerbesten Voraussetzungen und auch eine gute Ablenkung.“ Jede 8. Frau ist mittlerweile betroffen und keiner weiß genau, wo die Ursache liegt. Die Rede war davon, das Kind schnellstmöglich per Kaiserschnitt zu holen, um dann mit der Chemotherapie beginnen und alle anstehenden Untersuchungen machen zu können. Ich werde nicht stillen können, überhaupt nicht und sie gab mir den Rat, Noah sofort abzustillen. Ich glaube, sie war eh geschockt, als ich ihr erzählte, dass ich ihn noch stille. Mein Freund fragte, wie ernst die Lage ist und sie meinte, je älter die Patientin ist, desto besser sind die Chancen bei Brustkrebs. Sie meinte, wäre sie Anfang 20 und hätte Eierstockkrebs, würde sie wegfahren und ihre Sachen klären. Brustkrebs wäre heutzutage aber gut behandelbar. Genaues kann man aber erst nach der Chemotherapie und der anschließenden OP sagen. Sie hatte bereits einen Termin im Brustzentrum Rodewisch in 2 Tagen für mich ausgemacht. Ebenfalls gab sie mir ihre Karte, damit ich sie jederzeit telefonisch erreichen kann.
Wir erzählten noch, dass wir nächste Woche in Urlaub fahren und heiraten wollten und fragten, ob uns die Zeit noch bliebe. Sie bejahte dies und meinte, das sollten wir unbedingt tun.
Noah weinte draußen und ließ sich von den Schwestern nicht beruhigen, wir holten ihn dann rein und ich drückte ihn ganz fest an mich. Die Schwestern wünschten uns alles Gute, streichelten mir über die Schulter und wir verließen die Praxis.
Draußen war Sommer, es war heiß, ich rief meine Mama an, sie konnte es gar nicht recht glauben, wie gesagt, in unserer Familie gibt es keine Krebsfälle – bis heute. Anschließend fuhren wir an die nahegelegene Talsperre, das hatten wir den ganzen Sommer noch nicht geschafft. Wir redeten viel, Noah rannte auf der Wiese herum und lenkte unsere Gedanken etwas ab. Unser kleiner Sonnenschein.
Auch am nächsten Morgen fühlten wir uns wie in einem schlechten Traum.