Am 1. April checkte ich in Rodewisch ein. Die OP war für den 2. April geplant.
Am ersten Tag ging es zunächst für mich mit einem Lunchpaket und dem Taxi nach Zwickau zur Markierung des Wächterlymphknotens. Die Praxis war etwas eigenartig gestaltet. Eine alte Villa mit einem Anbau aus Glas davor. In dem Anbau befand sich das Wartezimmer und von da blickte man auf die ursprüngliche Eingangstreppe. Von „oben“ wurde aufgerufen. Man verstand es kaum, auch wurde nicht viel zum Ablauf erklärt, fragte man nicht genauer nach. Als ich dann aufgerufen wurde, wurde auch von der Schwester nicht viel erklärt. Es stellte sich dann später heraus, es war die Ärztin. Man bekam eine radioaktive Substanz in die Brustwarze gespritzt, die sich in den nächsten 40 Minuten verteilen sollte, um so den Wächterlymphknoten darstellen zu können. Die Substanz wird auf dem gleichen Weg wie mögliche Tumorzellen über die Lymphgefäße abtransportiert, wodurch die relevanten Wächterlymphknoten identifiziert werden können.
Es wurden im Anschluss daran Bilder gefertigt. Die Ärztin schien etwas genervt, erst sollte ich mithelfen und die Brust halten, damit sie die Platten positionieren und die Bilder machen konnte. Ich konnte aber in meiner Lage nicht so halten, wie es ihr genützt hätte, da dann ein Arm im Weg war und so holte sie eine Schwester/Kollegin mit dazu. Nebenbei besprachen sie, anscheinend waren es Geschwister, was ihr scheinbar dementer Vater nun wieder wolle und für Problemchen habe und ich kam mir irgendwie etwas störend vor. Als dann endlich die Bilder gemacht waren und die Lage des Lymphknotens außen auf der Haut mit einem Kreuzchen markiert war, konnte ich wieder gehen. Die Heimfahrt mit der Taxifahrerin war sehr kurzweilig, wollten doch fast schon andere Patientinnen mit uns fahren, die aus einem anderen Klinikum kamen.
Am Nachmittag kamen dann André und die Kinder zu Besuch. Es hieß dann Abschied nehmen. Auf die Nacht bekam ich noch eine Schlaftablette zur Beruhigung, so richtig gut konnte ich aber auch damit nicht schlafen. Ich redete noch lang mit meiner Bettnachbarin, die auch schon einige schwere Schicksalsschläge hinter sich hatte.
Am nächsten Morgen dann bekam ich die Information, ich würde erst auf Mittag operiert werden. Davor graute es mir am meisten, was sollte man so lange tun und essen und trinken durfte man auch nicht. Irgendwann durfte ich dann zum Chefarzt zum Anzeichnen. Er meinte, er würde nun doch quer über die Brust schneiden, die Brustwarzen mit entfernen und es auf beiden Seiten symmetrisch machen. Auf der gesunden Seite hätte man die Brustwarze auch erhalten und eine schönere Schnittführung machen können, wir waren uns aber einig, es auf beiden Seiten gleich zu machen. Ich hatte kein Problem damit, für mich war es wichtig, dass der Tumor raus und das optische Endergebnis besser als vorher war. Ich hatte ja einen E/F-Cup und nun sollte es auf B/C hinauslaufen. Es konnte für mich also nur schöner und „leichter“ werden, daher freute ich mich auch etwas darauf. Die größte Angst hatte ich allerdings vor der Narkose – zuviel mitzubekommen oder nicht mehr aufzuwachen…
Inzwischen hatte ich also meine Kriegsbemalung, der Chefarzt meinte, das wäre der schwierigste Teil, der Rest wäre nur noch, „nach Rezept zu backen“. Ich musste dann nicht mehr lange warten, bekam meine Beruhigungstablette, durfte die schönen weißen Strümpfe anziehen und wurde in den OP gefahren. Mein Bär durfte sogar mit. Ich bekam noch sehr viel mit, die Narkoseschwester war die gleiche, wie bei der Portlegung und wieder sehr lieb. Im OP selbst war es kalt, ich bekam warme „Siebenmeilen-Stiefel“ an und so langsam wurde es immer geschäftiger im OP-Saal, immer mehr Personen kamen herein und immer mehr Unruhe kam auf….
… und dann war ich doch ganz schnell weg.
Im Aufwachraum merkte ich, wie ein Bett nach dem anderen neben mir verschwand und irgendwann lag ich da allein. Mir war übel, ich sagte der Schwester Bescheid, die meinte, das wäre normal und ich zeigte nochmal deutlich, dass da etwas käme und sie konnte mir noch gerade rechtzeitig die Schale reichen. Danach lag ich wohl noch eine ganze Weile da, ich hörte die Schwestern nur von weitem über etwas wettern. Eine gefühlte Ewigkeit.
Später war ich dann auf meinem Zimmer und wollte nur schlafen… schlafen. Der Chefarzt war noch einmal in zivil da, als ich auf mein Zimmer kam, auch André war da, aber ich hatte keine Kraft zu sprechen, alles zog an mir vorbei.
Später erzählte er mir die folgende Anekdote: Als er zu mir ins Krankenhaus fuhr, holte er Noah von der Kita ab, er sollte bei meinen Schwiegereltern solange warten, damit er mich nach der Narkose nicht so sehen muss. Da sagte Noah im Auto: „Mama“, André antwortete ihm: „Zu Mama fahren wir morgen“. Noah erwiderte daraufhin: „Mama heute.“
So herzig. Dass er das schon mit heute und morgen verstanden hat.
Die Nacht über schlief ich. Unterbewußt hatte ich mitbekommen, dass ich einen Schmerztropf zum Drücken hatte, ich hatte aber gar nicht die Kraft etwas zu tun bzw. intensiver darüber nachzudenken. Schmerzen hatte ich kaum. Mit dem Kissen unter dem rechten Arm und auf dem Rücken liegend, fühlte ich mich wie aufgebahrt und lag einfach da. Irgendwann wusch eine Schwester mir noch das Gesicht und cremte es ein. Auch mein Geschmack wurde mit etwas Zitrone erfrischt. Das alles nahm ich aber nur benommen war.
Am nächsten Morgen war es schon etwas besser. Die Kraft aufzustehen, hatte ich aber noch nicht. Ich wurde gewaschen und putzte mir die Zähne. Dann kam ich nochmal an den Tropf und bekam über eine Schnabeltasse etwas zu trinken. Ich hatte Hunger und Durst und so konnte ich nun endlich etwas essen und es wurde langsam besser.
Ich konnte langsam aufstehen, aber der Katheter drückte immer mehr und ich wollte ihn loswerden. Ich überzeugte die Schwester, dass ich schon wieder mobiler bin und da wurde er endlich gezogen.
Ein Schlauch weniger, hatte ich ja noch den Tropf sowie 3 Drainageschläuche. Der Drainageschlauch vom Lymphknoten wurde relativ schnell gezogen, die anderen beiden liefen die ersten Tage kaum, dann wurde bei beiden für jeweils eine Stunde mit Hilfe von Unterdruck die Wundflüssigkeit herausgesaugt und es lief dann mal noch einen Tag etwas mehr und das war es dann auch. Nach 6 Tagen war ich endlich alle Schläuche los und eine Woche nach der OP wurde ich entlassen. Schmerzen hatte ich kaum, im Krankenhaus habe ich vormittags, mittags und abends meine Schmerztabletten genommen, zuhause kam ich komplett ohne aus.
Der Chefarzt meinte bei einer Visite, es war doch etwas komplizierter und die OP ging doch fast 5 Stunden. Auf meine Frage, ob ich eine Bluttransfusion bekommen habe, meinte er, er hätte aufgepasst und jedes einzelne rote Blutkörperchen bewußtlos geschlagen, so dass keines entkommen konnte. Die Transfusion stand nämlich im Raum, da meine Eisenwerte zu niedrig waren und wenn ich zuviel Blut verloren hätte, hätte ich Blut bekommen müssen.
Beim ersten Verbandwechsel war ich sehr aufgeregt, konnte ich ja beim ersten Waschen schon sehen, dass es schön geworden ist. Klein und fest, kein Vergleich zu vorher. Die Schwester hat sich beim Wechsel immer viel Zeit genommen. Die Pflaster wurden von mal zu mal weniger und zur Entlassung hatte ich nur noch die neu gezwirbelten Brustwarzen mit Stillhütchen geschützt, damit sie nicht zu sehr abflachen unter dem Kompressions-BH.
Unterhaltung hatte ich vormittags zur Genüge, Frühstück, Visite, alle 2 Tage Verbandwechsel und täglich Physiotherapie. Das hat mir sehr geholfen, wieder mobil zu werden. Und man wird jeden Tag aktiver und fitter. Ich hätte vorher gedacht, man kann sich dann erst mal nicht mehr richtig bewegen, aber ich war überrascht, wie schnell es doch wieder geht. Nachmittags wartete ich dann auf André und die Kinder, am Sonntag kam meine Mama zu Besuch und wir gingen sogar ein paar Runden um das Klinikgelände spazieren. Wie sehr hätte ich mir doch gewünscht, sie wäre am Tag der OP da gewesen. Mein Vati wäre gern auch am Freitag schon mitgekommen, da hatte er frei, aber das ging für meine Mama nicht. Ihr Plan sagte Sonntag, obwohl sie doch so viele Überstunden und Resturlaub hatte. Das machte mich schon ein wenig traurig.
Insgesamt verging die Zeit im Krankenhaus doch schneller, als damals zur Geburt von Elias und ich war auch viel schneller mobil. Auch wenn ich mich am ersten Tag nach der OP wie vor eine Wand gelaufen, gefühlt habe.
Laut einer Ärztin hatte ich das schönst dekorierteste Zimmer hier, wie man es sonst nur auf der Wöchnerinnenstation sieht, denn eine liebe Mitbetroffene kam eines Tages mit einem bunten Luftballon vorbei, auf dem „Gute Besserung“ stand. Von André bekam ich einen wunderschönen Blumenstrauß, den alle bewunderten.
Am Tag der Entlassung waren wir mittags bei meinem Lieblingsgriechen essen und nachmittags dann mit Noah im Eiscafé. Von André bekam ich einen neuen frischen Blumenstrauß für zuhause.
Von da an war ich schneller wieder im Alltag, als wir dachten. Ich hatte mir gedacht, ich könne auf der Couch sitzen und ganz ganz viel lesen, aber wir waren dann doch wieder viel unterwegs, haben viel geklärt mit der AOK, der Rentenkasse, der Elterngeldstelle etc. und die 6 Wochen, die André zur Unterstützung mit den Kindern und dem Haushalt zu Hause blieb, waren doch schneller vorbei, als uns lieb war.